... where LIFE SCIENCE
meets PHYSICS

MPI-BGC_Schneeball Erde: Algen haben vor Jahrmillionen Abkühlung ausgelöst

Der Siegeszug einzelliger Algen vor vielen Millionen Jahren hat womöglich entscheidend zur fast vollständigen Vereisung der damaligen Erde beigetragen. Absterbende Meeres-Algen setzten organische Verbindungen in die Atmosphäre frei, die als Kondensationskeime eine verstärkte Bewölkung hervorriefen. Damit trugen die Algen wahrscheinlich maßgeblich zu einer Abkühlung des Klimas bei, weil Wolken die Sonneneinstrahlung auf der Erdoberfläche verringern. Klima- Wissenschaftler berichten dies in einer neuen Studie, die heute in der renommierten Fachzeitschrift Nature Geoscience erschienen ist.

MPI-BGC_Algen



Mikroskopisch kleine Algen ähnlich dieser haben vermutlich zu großen Änderungen in der Gechichte der Erde beigetragen
[Foto: NOAA MESA Projekt]

„In der Erdgeschichte gibt es viele Beispiele für die enge Wechselwirkung zwischen lebenden Organismen und dem Klima“, sagt Georg Feulner vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Leitautor der Studie. „Die Zunahme einzelliger Algen vor etwa 800 Millionen Jahren hat das Klima deutlich abgekühlt und die nachfolgenden globalen Vereisungen – im Ergebnis bekannt als „Schneeball Erde“ – wahrscheinlich erst möglich gemacht. Mit unserer Studie haben wir ein neues Puzzleteil entdeckt, um eine der faszinierendsten Episoden der Klimageschichte besser zu verstehen.“

Bis jetzt konnten die Vereisungen nicht zufriedenstellend erklärt werden, die vor rund 700 Millionen Jahren, nach einer etwa eine Milliarde Jahre dauernden Phase relativer Stabilität überraschend auftraten. Für ihre Studie nutzten die Forscher neue Erkenntnisse über die Evolution höher entwickelter Einzeller, den eukaryotischen Algen. Wenn die sich damals rasant vermehrenden Algenzellen absterben, werden sie von Bakterien zersetzt und feinstes organisches Material gelangt in die Luft. Hier reagiert es unter anderem zu Schwefelsäure-Verbindungen, an denen sich Wassertröpfchen bilden können. An die Schwefelsäure-Verbindungen mit Tröpfchen lagern sich immer mehr Wassermoleküle an, sie werden letztlich zu Wolken. Neben der Intensität der Sonne, der Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre und dem Reflexionsvermögen der Erdoberfläche, sind Wolken enorm wichtig für die Energiebilanz des Planeten. Ihre Zunahme kann durch Abschirmung der Sonneneinstrahlung daher zu einer Abkühlung des Klimas führen.

In mehreren Computer-Simulationen mit einem Klimamodell testeten die Wissenschaftler, wie stark die Zunahme von Wolkenkondensationskeimen aufgrund der Algenzunahme zur Kühlung beigetragen haben könnte. Die Ergebnisse zeigen, dass die Vermehrung der Algen und ihrer Emissionen in der damaligen Atmosphäre eine große Rolle bei der Abkühlung gespielt haben müssen. Da die Erde gegenwärtig durch den vom Menschen verursachten Ausstoß von Treibhausgasen aufgeheizt wird, scheint eine Abkühlung wie in der Vergangenheit auf sehr lange Zeit ausgeschlossen. Doch gelten Algen auch heute noch als Hauptquelle für Kondensationskeime, die zur Wolkenbildung über den Meeren beitragen. Darüber hinaus entziehen Algen der Atmosphäre das Treibhausgas Kohlendioxid. Sie haben also in heutiger Zeit gleich in zweifacher Weise eine kühlende Wirkung auf das Klima.

„Unser Model bietet insbesondere eine plausible Erklärung dafür, wieso es vor der sogenannten Schneeball-Vereisung mehr als eine Milliarde Jahre lang gar keine Eiszeiten gab“, erklärt Ko-Autor Christian Hallmann vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena und vom MARUM, dem Zentrum für marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen. „Das erste große Aufkommen von marinen Algen hatte höchstwahrscheinlich entscheidende Konsequenzen für die weitere Entwicklung der Umweltbedingungen und des Lebens auf der Erde — ein komplexer Prozess, dessen Details wir gerade erst anfangen, zu verstehen.“

Originalveröffentlichung
Feulner, G., Hallmann, C., Kienert, H. (2015): Snowball cooling after algal rise. Nature Geoscience (online)