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HKI_Allrounder mit chemischem Auge

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Hervorragende Leistungen waren es nicht allein, die Pierre Stallforth immer wieder an akademische Hochburgen verschlagen haben - Oxford, Zürich und Boston. Und die Glückssträhne hält an: Der junge Wissenschaftler erhält nun die Chance, am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI) eine eigene Forschungsgruppe aufzubauen.

Zwei Herzen schlagen in Pierre Stallforths Brust. Da ist einerseits die Chemie: „Schon als Kind hatte ich eine Art kleines Labor und habe mit verschiedenen Stoffen experimentiert. Ich wollte die Natur verstehen.“ Und dann ist da noch die Musik: „Konzertpianist. Das wäre ich auch gern geworden.“ Letztendlich war die Faszination für Chemie einfach größer.

Schon nach dem Abitur in Gersthofen bei Augsburg zieht es Pierre in den Hörsaal, ins Labor, aber auch in die Ferne. Ab 2002 studiert er Chemie in Oxford. „Es ist schon ein sehr besonderer Ort. Sonntags gab es formelle Essen im Speisesaal. Die Speisen waren zwar nicht unbedingt besser, aber die Studenten und sogar die Professoren kamen in Anzügen. Das verleiht dem Studium Wichtigkeit.“ Und nicht nur die Mahlzeiten waren sehr persönlich. „An der Universität war man keine Nummer. Meine Professoren wussten genau, wie meine Prüfungen gelaufen waren. Das wirkt unglaublich motivierend.“

In Oxford beschäftigt sich Pierre Stallforth intensiv mit den physikalischen Grundlagen der Chemie. „Da hatte ich es eher mit der reinen Schönheit der Mathematik und Physik zu tun. Es gab aber leider kaum eine direkte Anwendung.“ Das sollte sich mit der Doktorarbeit ändern: In Zürich und Berlin untersucht er ab 2006 Zuckerstrukturen, die auf der Oberfläche von Bakterien vorkommen. Diese können – werden sie chemisch verändert – Grundlage für neue Impfstoffe sein. „Für mich ist die Chemie ein fantastischer Zugang zu anderen Wissenschaften wie die Biologie geworden. Und deshalb finde ich auch die Naturstoff-Forschung so interessant. Man hat zwar immer noch ein ‚chemisches Auge‘, aber die Fragestellung ist eine biologische.“

Mit Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen zu arbeiten und an einem Problem zu feilen – Pierres Wunsch wird an der Harvard Medical School in Boston wahr, wo er zweieinhalb Jahre als Postdoc verbringt. „Weit über 50 Universitäten und Forschungseinrichtungen! In Boston gab es für wirklich jede Problemstellung einen Experten vor Ort. Und so lernt man auch am meisten: wenn man sich mit anderen Wissenschaftlern austauscht.“

Dieses Motto bringt Pierre auch mit ans Hans-Knöll-Institut, wo er seit Beginn des Jahres eine neue Forschungsgruppe aufbaut. Dringliche Fragen hat er dabei genügend im Gepäck: Wie kommunizieren Bakterien und andere Organismen miteinander? Welche chemischen Signale werden von Bakterien produziert und erkannt? Bei der Aufklärung sollen nicht nur die soziale Amöbe Dictyostelium discoideum und das krankheitserregende Bakterium Pseudomonas aeruginosa helfen, sondern auch die Nachwuchsforscher seiner Gruppe. „Ich wünsche mir, dass alle – ob Chemiker, Mikrobiologe oder Ökologe – an einem gemeinsamen Projekt arbeiten.“

Am HKI ist Pierre mit dieser Einstellung kein Einzelkämpfer. Längst bestehen diverse Kooperationen der Abteilungen innerhalb des Instituts und mit anderen Forschungseinrichtungen auf dem Beutenberg. „Hier hat man ein tolles Umfeld, um Fragestellungen zu bearbeiten, die man allein nicht lösen könnte. Ich persönlich möchte verstehen, wie Bakterien und andere Organismen durch chemische Signalmoleküle miteinander kommunizieren“, sagt Pierre Stallforth, der sich durchaus auch an der Wirkstoff-Suche des Instituts beteiligen will, „denn zu dieser ‚Sprache der Chemie‘ gehören auch Antibiotika, die ich so entdecken möchte.“ Ein ambitioniertes Vorhaben. Sollte er dennoch eine freie Minute haben: Die Klaviatur wartet schon.