Drosophila sechellia ist eine mit der Taufliege Drosophila melanogaster eng verwandte Art, die ausschließlich auf den Inseln der Seychellen im Indischen Ozean zu finden ist. Die Seychellenfliege ist auf die Frucht des Noni-Baumes (Morinda citrifolia siehe Bild links von Anna Schroll) spezialisiert, ernährt sich von dieser und legt zudem ihre Eier auf der Frucht ab. Für alle anderen Fruchtfliegenarten ist der Kontakt zu reifen Noni-Früchten dagegen tödlich.
Die Fruchtbarkeit der Fliegen wird durch das Hormon Dopamin gesteuert. Bei Dopaminmangel sind die Größe der Ovarien und die Anzahl der Eier stark reduziert. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass eine Vorstufe für die Bildung von Dopamin in Drosophila sechellia in deutlich geringeren Mengen vorkommt als in anderen Fruchtfliegenarten. Bei dieser Dopamin-Vorstufe handelt es sich um Levodopa, auch l-DOPA genannt, einer Substanz, die vor allem als Arzneistoff gegen die Parkinson-Krankheit bekannt ist. Setzt man ihrer Nahrung l-DOPA zu, produzierten die Weibchen der Seychellenfliege mehr Eier. Dieser Effekt trat allerdings nicht ein, wenn dem Futter Dopamin selbst zugefügt wurde. Es stellte sich heraus, dass die Noni-Früchte l-DOPA enthalten.
Der genetische Vergleich von Drosophila sechellia mit anderen Arten der Gattung Drosophila ergab, dass die Seychellenfliege eine Mutation in einem Gen namens Catsup aufweist. Diese Genmutation bewirkt, dass die Weibchen weniger Eier produzieren. Wird Catsup in anderen Fruchtfliegenarten ebenfalls verändert, weisen die mutierten Fliegen die gleichen Charakteristika wie Drosophila sechellia auf: eine geringere Fruchtbarkeit und eine ungewöhnliche Anhäufung des l-DOPA-Enzyms in den Eiern, erläutert Sofia Lavista Llanos. Gleichzeitig macht die Catsup-Mutation die Fliegen auch resistenter gegen die giftigen Säuren der Noni-Frucht. Durch die Mutation legen die Fliegenweibchen ihre Eier erst in einem späteren Entwicklungsstadium ab. Dann haben die Embryonen nämlich schon eine Hülle gebildet, die sie vor der giftigen Umgebung ihrer Wirtspflanze schützt. Darüber hinaus werden die Drosophila sechellia Embryonen mit einer Catsup-Mutation fast dreimal so groß. Dadurch können sie die Giftstoffe besser abpuffern und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Larven auf der Noni-Frucht schlüpfen.
Fruchtfliegen werden von fruchtigen Düften angelockt. Erreichen diese Düfte allerdings sehr hohe Konzentrationen, werden die Fliegen abgeschreckt. Auf Drosophila sechellia trifft dies jedoch nicht zu: Aus früheren Untersuchungen wissen wir, dass diese Fliegen vom Duft der giftigen Noni-Früchte angelockt werden, egal welche Konzentrationen der Duft erreicht, sagt Bill Hansson. Ein höherer Dopaminspiegel verbessert die Resistenz der Fruchtfliegen gegen die Toxine aus dem Noni-Baum. Nun wollen sie herausfinden, ob Dopamin auch einen Einfluss darauf hat, wie stark die Attraktivität der Noni-Früchte auf die Seychellenfliegen ist.
Die Enzyme für die Bildung von Dopamin sind über die Artgrenzen hinweg in Wirbellosen und Wirbeltieren erhalten geblieben. Drosophila sechellia könnte zu einem Modell zur Erforschung des Dopaminstoffwechsels werden. Die enge Verwandtschaft zum Modellorganismus Drosophila melanogaster ist dabei ein großer Vorteil, denn wir können auf über 50 Jahre Forschung zurückgreifen, meint Sofia Lavista Llanos.
Medizinisch interessant sind dabei die Ursachen und Auswirkungen eines Dopaminmangels: Als Botenstoff steuert Dopamin auch beim Menschen wichtige Vorgänge im Körper. Fehlt das sogenannte Glückshormon, können nicht nur Erschöpfung und Depression die Folgen sein. Auch bei Menschen, die an der Parkinson-Krankheit leiden, liegt ein extremer Dopaminmangel vor. Grundlegende Kenntnisse der genetischen und biochemische Prozesse des l-DOPA-Mangels in Drosophila sechellia könnten auch zum Verständnis des Dopaminstoffwechsels beim Menschen beitragen.
Originalveröffentlichung:
Lavista Llanos, S., Svato, A., Kai, M., Riemensperger, T., Birman, S., Stensmyr, M. C., Hansson, B. S. (2014). Dopamine drives Drosophila sechellia adaptation to its toxic host. eLife 2014;3:e03785, DOI: 10.7554/eLife.03785
dx.doi.org/10.7554/eLife.03785
Weitere Informationen:
Dr. Sofia Lavista Llanos, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Tel. +49 3641 57- 1465, E-Mail slavista-llanos [at] ice.mpg.de
Prof. Dr. Bill S. Hansson, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Tel. +49 3641 57- 1401, E-Mail hansson [at] ice.mpg.de